Freitag, 5. März 2010
Die Parfümschachtel
Als ich aufwache, ist mir sofort bewußt, ich kann heute nicht ins Bad gehen und etwas mir inzwischen verhasstes konsumieren. Denn ab heute hatte ich vor, nichts zu nehmen. Ich möchte überhaupt nicht aufstehen, fühle mich schwer, zutiefst depressiv.

Dann meine ich, vielleicht noch ein paar Euro zusammen zu bekommen, so dass ich auf 10 Euro komme. Das wäre zwar gegen meine Vorgabe, doch insgesamt noch immer in die richtige Richtung, mich davon zu Distanzieren. Ich bin ohnehin der Meinung, eine Staffelung wäre sicher besser, als gleich auf 0 zu gehen. Während dessen überlege ich, ob das nicht eine Ausrede ist, und letztendlich mache ich weiter wie bisher.

Vor ein paar Tagen ist mir aufgefallen, wie meine Mutter eine Parfümschachtel scheinbar nur gerade rückte und mich skeptisch ansah. Das Parfüm schenkte ich ihr zum Geburtstag. Jetzt öffne ich die Schachtel und schaue hinein, tatsächlich, meine Bankkarte hat sie darin versteckt. Mist. Ich stecke die Karte ein und stetze mich ins Bad. Oh je, oh je, nicht schon wieder, denke ich. Du hast dir doch etwas vorgenommen. Wenn sie herausbekommt, dass du die Karte gefunden hast und abermals deinen Vorsatz brichts. Wie peinlich und beschämend.

Heute arbeite ich im Büro, sage ich ihr, und gehe los. Jedoch nicht ins Büro, sondern um mir etwas zu holen. Während ich laufe mache ich mir Vorwürfe. Als ich wieder daheim bin, liegt die Parfümschachtel auf dem Tisch. Ich erwarte ihre Beschuldigung, die vollkommen berechtigt ist. Sehr gehalten wirft sie mir vor, die Karte gesucht und gefunden zu haben. "Du hast dir doch wieder etwas geholt!", sagt sie. Ich gebe darauf keine eindeutige Antwort, ich schäme mich. "Ich dachte, du hättest Charakter und würdest davon loskommen!", höre ich mir an. Alles ist richtig, nützt mir aber auch nicht wirklich viel, ich weiss das alles selber. Die Karte musste ich nicht lange suchen, sage ich ihr, so dass sie nicht denkt, ich hätte alles dafür durchsucht. Das ist alles, was ich zu meiner Verteidigung sagen konnte. Mehr nicht. Ich schäme mich.

Jetzt sitze ich vor dem PC und arbeite. Jetzt bin ich ausgeglichener, beruhigt, nicht mehr nervös und kaum mehr depressiv, deutlich besser in der Lage, zu arbeiten, zu denken, und doch beschämt über mein erneutes Versagen. So geht es nicht weiter. Was soll ich nur tun? Eine Kur dauert sicher mehrere Monate, was soll ich meinem Arbeitgeber sagen? Es bleibt mir nichts anderes übrig, als Charakter zu zeigen und es so zu schaffen.

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